fjgrossmann



prof. dr. uli rothfuss
eine kunst ist wie er selbst: frank-joachim grossmann
ausstellung im feuerbachhaus speyer vom 29. november 2007 bis 13. januar 2008

erlauben sie mir eine recht persönliche annäherung an diese ausstellung und an den ausstellenden künstler, frank-joachim grossmann. zum einen, weil ich es nicht mag, wenn lange, ermüdende akademische reden zu ausstellungseröffnungen gehalten werden, die mit vielen worten fast nichts zur ausgestellten kunst sagen, dafür um so mehr über den redenden auskunft geben, der uns die ausgestellten kunstwerke interpretiert“ – uns also eigentlich das abnimmt, was wir als betrachter selbst leisten sollen: uns mit den ausgestellten bildern auseinanderzusetzen, uns auf sie einzulassen um dann zu unseren eigenen ergebnissen zu kommen; zum anderen weil ich frank-joachim grossmann kenne, seit jahren, mit ihm befreundet bin, weil wir seit jahren kollegen sind, in unterschiedlichen fachgebieten zwar, aber doch immer wieder die interdisziplinarität suchen, grenzen Überschreiten und dabei eben auch zusammenarbeiten.
deshalb auch möchte ich ein postulat in die mitte meines kurzen vortrags stellen: die kunst des frank-joachim grossmann ist wie er selbst, so empfinde ich es: sie ist getragen von einer filigranität, sie ist verletzlich wie er selbst, sie strebt der perfektion zu, wie er, aber sie will nicht beeindrucken um des beeindruckens willen.
wer frank-joachim grossmann als hochschullehrer kennt, der weiß: diesem menschen kommt es darauf an, zu be-wirken, und nicht zu beeindrucken. er will verursacher sein, hervorrufer von entwicklungen, und nicht einen endpunkt setzen. und er nimmt an entwicklungen teil, er versteht sie als lernprozess für sich selbst; er sucht die auseinandersetzung, die auseinandersetzung über die kunst, und nicht den krach, den konflikt. frank-joachim grossmann ist eigentlich ein mann der leisen töne, und das zeigt er auch in seiner kunst: bei den hier ausgestellten zeichnungen und aquarellen von steinen versucht er, ins innere dieses elementaren stoffes stein einzudringen und ihn sichtbar zu machen: die verletzlichkeit des elementes stein, die umgebung, aus dieser herkommt, den sinn, den das element stein im gesamtgefüge der schöpfung hat; er sucht nicht das monumentale im stein, das jedes argument erschlagende, das verletzende – sondern das verletzliche im stein.
wie drückt er dies aus? durch die filigranität seiner strichführung, durch die subtile farbwahl, durch das sujet, durch die komposition, wie er seine steinstudien arrangiert. hier ist frank-joachim grossmann ein meister, hier kommen ihm seine berufe zu hilfe: der künstler eben, der sein handwerk von der pieke auf gelernt hat, an der fachhochschule für gestaltung in mannheim und dann an der kunstakademie in stuttgart; aber auch der grafik-designer, der sich wohl bewusst ist, wie farben und formen angeordnet sein müssen, damit sie sich einprägen, damit sie wirken, was ihm in seiner kunst aber nie selbstzweck wird. der typograph als weitere ausprägung seiner persönlichkeit kommt ihm auch zu gute, der vielfältig mit schriften, mit der ausformung von schriften und mit deren verschiedenartiger symbolkraft umgehen kann, der sich dieser symbolkraft immer bewusst ist. dies alles findet zusammen in den grafiken von frank-joachim grossmann, in seiner kunst, die frei und nicht bezogen auf eine anwendung ist – und die auf den betrachter allein schon deshalb wirkt, weil sie in ihm – lässt er sich auf diese ein – tiefe schichten des berührtwerdens anspricht.
ich habe mit frank-joachim grossmann in manchen zusammenhängen zusammen gearbeitet, und über diese gemeinsamen arbeiten hat sich eine freundschaft entwickelt, für die ich sehr dankbar bin, weil ich eben frank-joachim grossmann nicht nur als künstler und grafiker, sondern eben auch als freund, als verbindlichen, wertvollen menschen schätze und achte:
an der hochschule in schwäbisch hall zum beispiel arbeiteten wir zusammen in einem projekt, bei dem wir inhalt – texte, wofür ich zuständig war – und form – eine zeitschrift, die gestaltet werden sollte, wofür er verantwortlich war – zusammenzubringen versuchten. gerade das grenzen überschreitende ist für frank-joachim grossmann (und auch für mich) interessant, und es ergab sich ein spannender prozess, bei dem – wichtig – die wesentlichen ergebnisse offen waren und so eine dynamische entwicklung erlaubten. dieses grenzen überschreitende sehe ich auch in neuen projekten: bei unserer gemeinsamen reise in den kaukasus, nach georgien und aserbaidschan, und grenzüberschreitenden entdeckungen dort, in der kunst, in der art zu leben, in der hochschullehre; oder in der gestaltung des gartens beispielsweise, die frank-joachim grossmann angeht wie ein kunstwerk: symbolhafte beziehungen schaffen, natur in bezug zur kunst setzen, den menschen dabei nicht als schöpfer, sondern eher mit ordnender hand, die kultiviert – und so kunst schaffen, stets die anwendung im auge.
eine andere zusammenarbeit: die entwicklung eines logos für die internationale hermann-hesse-gesellschaft, deren geschäftsführer ich damals war; man kann sich die intensität der vorarbeiten für solch eine aufgabe kaum vorstellen, wenn man am schluss das ergebnis sieht, die reduktion komplexer inhalte auf ein signet, das am schluss des arbeitsprozesses steht und vielfältig ausdrückt, worauf es ankommt: internationalität, dem vielschichtigen literarischen werk hermann hesses gerecht zu werden, dem anspruch einer gesellschaft, integrierend zu wirken und bei alledem doch einen konkreten bezug zu hesse und seinem werk herzustellen. wir alle waren sehr begeistert. frank-joachim grossmann strebt in seinem wirken der perfektion zu und möchte zugleich nicht perfektion erreichen, denn er weiß sehr wohl, dass es diese nicht gibt; er möchte anregen zu eigenen sichtweisen; dazu, sich auseinanderzusetzen mit der künstlerischen idee; er gibt keine ergebnisse vor, sondern er regt an, zu eigenen ergebnissen zu kommen.
und unser jüngstes projekt hatte eng mit der heutigen ausstellung zu tun: frank-joachim grossmann gab die illustrationen meinem jüngsten gedichtband „vom atmen der steine“ hinzu, gedichte, die – sowenig, wenn man genau hinsieht, wie seine „stein“-bilder – mit der materiellen ausformung stein zu tun haben, sondern das „wesen stein“ aufgreifen. und seine im buch leider nur schwarz-wei abgedruckten bilder sind nicht bloe illustrationen der texte, sondern sie gesellen sich eigenständig zu den texten hinzu und schaffen so einen besonderen visuellen wert im buch. im Übrigen danke ich frank-joachim grossmann herzlich dafür, dass er für diese ausstellung als titel den titel meines gedichtbuches gewählt hat, „vom atmen der steine“ – ein titel, der per se aussagt, dass der stein nicht totes material ist, ohne nutzen, sondern dass steine atmen, leben, anteil nehmen am weltgeschehen im großen und im kleinen …

© prof. dr. uli rothfuss