fjgrossmann



Thomas Angelou M.A.
Zur Eröffnung der Ausstellung »abstract« im Kunstverein Germersheim 11.3.2017

Der Künstler Frank-Joachim Grossmann hat sich in seinem Werk der Druckgrafik, Holzschnitten und Digitalarbeiten verschrieben. Buchstaben und Zahlen sind es, welche dem Betrachter regelrecht ins Auge zu springen scheinen, ausgeführt in den soeben genannten diversen Techniken.
Der in Römerberg lebende Künstler verarbeitet in seinem Werk Buchstaben, Zahlen und Schriftfolgen. Für die Betrachter ein spannendes Seherlebnis, denn das erste Wahrnehmen der Arbeiten lässt zuerst einmal ein Buchstabe oder eine Zahl erkennen. Danach beginnt man den soeben begonnen Sehprozess zu konkretisieren. Fragen wie: »Warum gerade Zahlen und Buchstaben« entstehen und verbirgt sich dahinter vielleicht ein ganz spezielles System in deren bildnerischen Anordnung!?
Schaut man länger und detaillierter, wird man Spiegelungen und Überschneidungen entdecken. Geschickte Anordnungen von diesen lassen an experimentierfreudige Kompositionen denken. Perfekt durchdacht kombiniert Frank-Joachim Grossmann die einzelnen Elemente untereinander, immer dabei auf der Suche nach der idealen Formensprache. Es ist ein Prozess des Suchens und Experimentierens, welcher dabei bei dem Künstler in Gang gesetzt wird, um das Ergebnis danach auf Japan- oder französischem Büttenpapier in drucktechnischer Manier zu übertragen.
Bei der handwerklichen Technik des Holzschnittes oder Xylographie handelt es sich um das älteste grafische Druckverfahren. Der Holzschnitt ist die Urform des modernen Buchdrucks. Wann und an welchem Ort ein Bogen Papier zum ersten Mal auf einen geschwärzten Druckstock gelegt wurde, um einen Abdruck davon zu erhalten, wird sich nicht mehr ermitteln lassen. Die für die Druckstockherstellung notwendigen Techniken waren bereits den frühen Ägyptern bekannt. Die Verwendung der Holzschnitttechnik zur Vervielfältigung auf Papier lässt sich erstmals im 6. Jahrhundert n.Chr. in China nachweisen. Dort wendete man den Formschnitt bereits zur Herstellung von Druckstöcken für den Buchdruck an. Wegen der unendlichen Vielzahl chinesischer Schriftzeichen wurde diese Drucktechnik dort bis ins 20. Jahrhundert beibehalten. Und das, obwohl der Druck mit beweglichen Lettern im Reich der Mitte bereits im 11. Jahrhundert – also vierhundert Jahre vor Gutenberg – bekannt war. In Europa gaben vermutlich die in römischer und mittelalterlicher Zeit verwendeten Holzstempel den Anstoß zur Entstehung des Formschnitts. Im ägyptischen Fajum entdeckte man mit Holzstempeln zu Papier gebrachte Ornamente aus dem frühen Mittelalter. Auf dem europäischen Festland wurde die Holzstempeltechnik zum ersten mal im 12. Jahrhundert in Süditalien angewandt. Hier druckte man zunächst die Umrisse für Stickereien und farbige Muster auf Stoff, ähnlich dem späteren Kattundruck. Es wurden Druckstöcke benutzt, bei denen die Linien vertieft ins Holz geschnitzt waren, so dass sie beim Druck weiß blieben. Ob und welche Bedeutungen die Buchstaben und Zeichen bei Frank-Joachim Grossmann haben, können die Betrachter jeweils aus ihren eigenen gemachten Erfahrungswerten für sich heraus entwickeln. So entstehen spannungsreiche Kontraste zwischen den einzelnen Werken. Hier ein Digitaldruck dem gegenübergestellt ein Linol- oder Holzdruck. Somit begegnen sich Vergangenheit und Gegenwart im Rahmen der technischen Umsetzung. Ein historisches Druckverfahren geht eine harmonische Symbiose mit dem Hier und Jetzt, dem Digitaldruck ein. Ein spannungsreiches Moment entsteht. Sehen wir auf der einen Seite die Makellosigkeit einer hoch technisierten Umsetzungsmöglichkeit, begegnet uns auf der anderen Seite das Klassische, welches seine Spuren nicht verbergen muss, sondern diese voller Stolz mit in das Einzelblatt integriert. Der Holz- bzw. Linoldruck will sein für seinen Entstehungsprozess verwendetes Material erkennen lassen.
Hier eine feste, Greifbare Form, daneben Leichtigkeit, Filigranität, Transparenz, ja nahezu Zerbrechlichkeit und Zustände des Schwebens, welche einem in den einzelnen Arbeiten begegnen, sowie Form und Gegenform ergänzen das Repertoire des Künstlers. Kristalline Farbschichten mal vorder-, mal hintergründig erfüllen die Arbeiten mit Leben, die auch alle mit Titel wie »c-moll«, !»Less+More« oder »8 unendlich« versehen sind. Dem Betrachter stehen somit mehrere Wege offen, sich den Arbeiten von Frank-Joachim Grossmann zu nähern. Einmal das bloße Betrachten und es dabei belassen oder sich auf das Abenteuer einlassen und beginnen zu erforschen und hinterfragen. Die gedankliche Auseinandersetzung mit den Werken ist von dem Künstler bewusst beabsichtigt. Die Acht eine Zahl, aber auch ein Zeichen für die Endlosigkeit, verursacht durch ihre Form, welche geht man von einem Startpunkt aus, einem immer und immer wieder zu diesem zurückführen wird. Einzelne Buchstaben und Zahlen, die ansonsten eher in Kombination mit weiteren Zahlen oder Buchstaben in der Gesamtheit eines Wortes oder Satzes bzw. einer Zahlenreihe ihre Funktion erfüllen, werden nun plötzlich aus dieser herausgelöst und werden als Solitärzeichen präsentiert.
Sie werden zu den Hauptakteuren in den Arbeiten des Künstlers und lassen nun erkennen, welch energetische Kraft in ihnen steckt. Im Alltag ein Teil vom Ganzen, als Einzelelement eher unbeachtet, nun gerade das Gegenteil. Eine konzentrierte Auseinandersetzung mit dem was uns Tag für Tag umgibt rückt ins Zentrum unserer Betrachtungsweise. Ein Buchstabe oder eine Zahl sind es nun, welche uns herausfordern sie näher kennen zu lernen, um zu erfahren, dass es mit Sicherheit lohnenswert erscheint, auch einmal einen Blick auf Dinge zu werfen, welche unsere Aufmerksamkeit erst beim zweiten oder dritten Hinschauen auf sich ziehen und uns danach wie gebannt mit ihrer Präsenz zu fesseln scheinen …

© Thomas Angelou M.A.